Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

rcg

107 Im April 19.1 sind die Kredite nach wie vor stark überschritten, und der Bank liegen noch keine Jahresabschlüsse per Ende 19.0 vor. Der Kunde ist Anfangs Mai 19.1 für zwei Tage in der Schweiz und spricht bei der Bank vor. Weil die ganze Gruppe im Zu- sammenhang mit den laufenden Vertragsverhandlungen vor einer Umstrukturierung stehe, habe er das Geschäftsjahr um sechs Monate verlängert. Er bringt die nicht- konsolidierten Zwischenabschlüsse seiner wichtigsten Gesellschaften vorbei, welche jedoch wenig Brauchbares enthalten. Als die Bank mit der Kündigung der Kreditlimi- ten droht, erklärt sich der Kunde aus freien Stücken bereit, sämtliche Schulden privat zu übernehmen. Er wolle damit einmal mehr beweisen, dass er vollumfänglich zu sei- nen Verpflichtungen stehe. Der Verleger meldet sich auch danach immer wieder aus dem Ausland, wobei die Be- richte über die Vertragsverhandlungen bisweilen fast euphorisch klingen. Die Bank gewinnt dabei immer wieder den Eindruck, die Verhandlungen stünden kurz vor einem erfolgreichen Abschluss. Als sich im September 19.1 substantiell noch immer nichts bewegt hat, spricht die Bank die Kündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Verleger jedoch bereits ins Ausland abgesetzt, ohne seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Neben Gemeinsamkeiten mit dem vorhergehenden Beispiel zeigt der Fall 2 auch ei- nige neue Aspekte, welche bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Schuldners im Auge behalten werden müssen: • Man lässt sich zu stark von der "Grösse" eines Kreditnehmers beeindrucken. Die- se ist vor allem dann zu relativieren, wenn das Wachstum vorwiegend fremdfi- nanziert worden ist und der grösste Teil des Risikos ohnehin von der Bank getra- gen wird. • Es ist eine häufige Strategie gerade grösserer Schuldner, substantielle Geldbeträge von einer Bank auf die andere zu verschieben, um damit Zweifel über die finan- zielle Lage aus dem Weg zu räumen. • Der Kreditnehmer bringt die Bank in ein extremes Abhängigkeitsverhältnis, in- dem alle Fäden bei ihm zusammenlaufen ("One-Man-Show") und diese in einem Krisenfall nur unter seiner Mithilfe an ihr Geld herankommt. • Die private Übernahme von Firmenschulden kann nur dann die Kreditwürdigkeit eines Schuldners unterstreichen, wenn dieser noch über ein grösseres Vermögen verfügt. • Der Kreditnehmer informiert viel, aber wenig substantiell.

Seitenübersicht